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Rabatte wider Cigarren-Kultur?

#ZIGARREN 17. Januar 2005

Nach dem Artikel über magersüchtige Cigarren habe ich einen weiteren interessanten Beitrag von Hans Bewersdorff in der WAMS gefunden. Er enerviert sich über mangelndes Feingefühl beim Kauf von Cigarren. Ok, wie ich auch schon geschrieben habe, gehört der Einkauf im gepflegten Fachgeschäft zum Schönsten überhaupt. Wenn ich aber den Grundstock meines Humidors mit 20 bis 40 Prozent beim Grosshändler beziehen kann, gefällt mir das ganz ausgezeichnet. Ich finde, dass Herr Bewersdorff den Internet-Kauf nicht so strikte verdammen sollte. Es gibt Sites mit ausgezeichneter Kombination von Information und Cigarren-Shop. Internet-Kauf bedeutet auch nicht automatisch Betrug. Ich jedenfalls bin gerne multimedialer Traditionsaficiondo.

Billig-Havannas per Internet

Grauimporte weichen den Zigarrenmarkt auf. Mit der Schnäppchen-Flut steigt auch das Risiko für den Kunden

von Hans Bewersdorff

Geiz ist geil – sogar im Tabakladen. Kürzlich in einem Münchner Zigarrengeschäft: Ein neuer Kunde verlangt für eine Kiste Havannas zehn Prozent Rabatt. Der verdutzte Händler lehnt zunächst freundlich ab: «Das ist bei uns nicht üblich.» Daraufhin fordert der Kunde unter Hinweis auf Barzahlung mindestens fünf Prozent. Jetzt verliert der Händler die Contenance: «Wir sind hier nicht im Basar. Bitte versuchen Sie es woanders.» Sicher reagiert nicht jeder Händler so schroff, denn ganz im Unrecht war der Kunde nicht. Allerdings darf ein Händler nach dem Gesetz nicht einmal fünf, sondern nur maximal drei Prozent Skonto beim Kauf einer ganzen Kiste gewähren. Cohíba, Davidoff & Co. – noch gibt es sie nicht im Schlussverkauf wie Rasierapparate, Toaster oder Filzpantoffeln. Doch der Fall aus München zeigt geradezu exemplarisch, dass die Geizwelle längst die rauchende Premiumwelt erreicht hat. Waren es früher die cleveren Schwaben, die am Wochenende ihren Daimler in die Schweiz steuerten, um sich günstig mit Puros einzudecken, oder Mallorca-Touristen, die Montecristo und Romeo y Julieta kistenweise mitbrachten, so wird der heimische Zigarrenmarkt jetzt schleichend durch das Internet aufgeweicht. Im World Wide Web tummeln sich mittlerweile unzählige Grau-Importeure und überbieten sich mit Schnäppchen. Momentaner Renner: Havannas, bis zu 50 Prozent reduziert. Alles, was des Aficionados Herz begehrt, wird feilgeboten – von der Edición Limitada bis hin zur Ramon Allones 8-9-8 (Varnished), die es seit zwei Jahren nicht mehr gibt. Die Situation ist fast so perfide wie bei Ebay. Menschen, denen es früher nicht im Traum eingefallen wäre, ihre Rolex nur nach den Katalogbildern auszuwählen, bieten heute nahezu blind mit. Ähnlich verhalten sich viele Raucher. Ging man in Spanien oder der Schweiz noch auf Nummer sicher und überzeugte sich selbst vor Ort von der Qualität, wird jetzt mutig ins Blaue drauflos geordert. Einmal mehr sind es vor allem Havannas, die zumeist über die Kanarischen Inseln in die EU kommen. Bei meinen Recherchen habe ich festgestellt, dass viel angeboten wird, aber nichts vorrätig ist. Nur wer vorbestellt, bekommt schließlich Ware. Die ist zugegeben mitunter ausgezeichnet. Die meisten Proben waren jedoch eher mangelhaft. Auf ihrem langen unüberschaubaren Weg haben sie irgendwo Substanz verloren, was offenbar viele Sparfüchse nicht merken. Das triumphale Geizgefühl wiegt «geiler» als der maximale Rauchgenuss. Auch wenn es altmodisch klingt, ich bleibe dabei: Zigarrenkauf ist ein sinnliches Erlebnis. Man muss fühlen, riechen, tasten, den Fachmann befragen. Der virtuelle Humidor kann den begehbaren niemals ersetzen. Eine Spezialität wie die Chisel lebt durch den Reiz der Entdeckung. Nur wer ihr persönlich begegnet, wird ihrem Zauber verfallen. Diese neue Serie von La Flor Dominicana ist eine echte Novität. Die Macher haben ein noch nie da gewesenes Format geschaffen. In der Seitenansicht sieht sie aus wie eine Torpedo, von oben gesehen kommt sie einem Pfeifenmundstück gleich. Tatsächlich bringt der flach auslaufende Kopf Vorteile beim Rauchgenuss. Wem die Torpedo nicht liegt, weil sie zu wackelig im Mund sitzt, der wird diese Zigarre lieben. Je nachdem wie man die Chisel öffnet – durch Anschneiden oder seitliches Anbohren -, entwickelt sie sich geschmacklich spürbar unterschiedlich. Durch den hohen Anteil der kräftigen Ligero-Blätter sind alle drei Formate kraftvoll und ausgesprochen aromareich. Normalerweise beherrscht man solche Zigarren am besten, indem man behutsam an ihnen nippt. Anders die Chisel. Die Form des Mundstücks erleichtert eine sanfte Dosierung des Rauchverlaufs. Die Zigarre aus der Dominikanischen Republik balanciert an der Grenze zum Übermaß, ohne sie zu überschreiten. Ich nenne das Genuss am Limit. Mehr geht nicht. Preise: 6,10 bis 8,20 Euro.

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